Komplex oder einfach? Bequem oder besser Unbequem?

Kürzlich flog ich über ein verlängertes Wochenende nach Leipzig und hatte am Flughafen etwas Zeit zu lesen. Ich habe mich mit einem Kaffee hingesetzt und das NZZ Folio mit dem prägnanten Titel „Warum so kompliziert“ gelesen. Der Leitartikel „ dem Chaos trotzen“ ging der Frage der heutigen komplexen Systeme nach. Zuerst muss man differenzieren zwischen komplex und kompliziert. Eine Mechanik einer Uhr ist z.Bsp. kompliziert, wenn man sich mit der Konstruktion befasst wird man früher oder später in der Lage sein diese zu begreifen. Komplex hingegen sind lebendige Systeme die untereinander agieren, z.Bsp. Freunde, die Familien, etc. In diesen Systemen können Tragödien oder auch Komödien entstehen ohne, dass diese an einen Fahrplan gebunden sind, es passiert einfach. Auch Unternehmen, Gesellschaften und Staaten entfalten eine Form der Komplexität die sich unserer Vorstellung entzieht. Dies äussert sich in überraschenden Entwicklungen, überraschenden Konflikten und ratlosen Akteuren. Die Unregierbarkeit des Staates ist schon seit längerer Zeit Thema bei Politwissenschaftlern. Die letzten Entwicklungen wie der Brexit, die Uneinigkeit der EU oder die Aussenpolitik der USA u.a. geben ihnen wohl Recht.

Auch Unternehmen sind von dieser Entwicklung betroffen. Diese schliessen sich unter dem Vorwand der Wettbewerbsfähigkeit immer zu grösseren Einheiten zusammen mit dem Effekt, dass die Komplexität immer bedrohlicher wächst. Die Folgen sind undurchsichtige Verantwortlichkeiten, strukturelle Trägheit und fehlende Innovationskraft. Die wachsende Komplexität unseres Umfelds wird auch als mögliche Ursache der vielen Neuronalen Krankheiten verantwortlich gemacht. Depressionen, ADHS oder Burnout- Syndrom sind allgegenwärtig. Was also tun wenn einem die übermächtig erscheinende Wirklichkeit auf den Leib rückt? Man muss versuchen sich diese Welt durch Komplexitätsreduktion wieder vom Leibe zu schaffen. Die Anhänger extremer politischer Anschauungen, Verschwörungstheoretiker, fundamentalistische Gläubige, die militanten Veganer, die Nationalisten, ja all diese haben eines gemeinsam: Sie hängen alle einem vereinfachten Welterklärungsmodell an, dass sie vehement verteidigen. Jeder Widerspruch bestärkt sie in der Überzeugung, die eigene Lehre sei die richtige.

Nüchtern betrachtet muss man allerdings eingestehen, dass vieles heute wirklich einfacher ist. Die sogenannte „Convenience“ hat überall Einzug gehalten. Die Waschmaschine wäscht, der Geschirrspüler spült, das Mobiltelefon telefoniert und macht nebenbei noch andere nützliche Dinge. Alles ganz einfach und für jeden zu verstehen. So können wir uns tagein, tagaus mit allerlei „einfachen“ Tätigkeiten Stundenlang beschäftigen, die unzähligen Menschen (zu denen auch ich gehöre) streicheln ihr Mobiltelefon nur zu gerne Tag für Tag etliche Male.

Unsere Bequemlichkeit siegt über uns tagtäglich. Anstatt beim nächsten Ausflug eine Strassenkarte zu lesen um die Route selber zu planen zücken wir unser Mobiltelefon und tippen kurz das Ziel ein um uns dort hin führen zu lassen. Digital dement machen wir uns dann auf den Weg und wissen nicht mal wo wir uns genau befinden wenn man uns fragen würde. Bringt uns dies persönlich weiter wenn wir nur noch konsumieren? Oder ist es nicht eher so, dass wir wieder das Unbequeme bewusst annehmen sollten? Die meisten von uns tun dies bereits ohne darüber gross nachzudenken, wir nennen es Hobby. Beim Holzschnitzen, Reparieren, Laufen, Joga etc. mit solchen Aktivitäten durchbrechen wir die Macht der Convenience und versuchen ihr so zu wiederstehen. Oder wie ein sehr bekannter US Präsident mal sagte „do the other things, not because they are easy, but because they are hard”.

Dieser Poste ist eine sehr kurze Zusammenfassung der Artikel „dem Chaos trotzen“ und „Tyrannei der Bequemlichkeit“ aus dem NZZ Folio vom September 2018 und können teilweise online gelesen werden. Mein Lese Tipp!

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